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Autophagie –
Schlüssel zur Gesundheit und Langlebigkeit

Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll:
Eine Reihe wissenschaftlicher Daten belegt, dass die Autophagie hinsichtlich der Prävention chronisch-degenerativer Erkrankungen und der Lebensspanne eine entscheidende regulatorische Rolle einnimmt.

Die Alterung des menschlichen Organismus ist ein komplexer Prozess, der mit Funktionsverlusten und gestörten Zell- bzw. Gewebshomöostasen einhergeht. In diesem Zusammenhang spielt die Autophagie eine große Rolle, für deren Erforschung der Japaner Yoshinori Ohsumi im Jahr 2016 den Nobelpreis in Physiologie und Medizin erhielt. Dieser komplexe, körpereigene „Zell-Recycling-Prozess“ geht mit zytoprotektiven Wirkungen einher und wirkt der Zellalterung entgegen.

Die Autophagie wird als wesentlicher kausaler Ansatz in Bezug auf den Alterungsprozess verstanden, denn er lässt nicht nur mit zunehmendem Alter nach, sondern wird auch in Zusammenhang gebracht mit metabolischen Störungen und neurodegenerativen Prozessen, die mit zunehmendem Alter gehäuft auftreten. Es ist daher ein interessanter Ansatz eine Lebensführung zu betreiben, welche die Autophagie anregt und unterstützt.

Autophagie – Interessanter, körpereigener Recyclingprozess

Der Begriff Autophagie (griech. autóphagos = sich selbst verzehrend) beschreibt einen komplexen katalytischen Recyclingprozess, der in eukaryontischen Zellen stattfindet und für die Zellhomöostase von außerordentlicher Bedeutung ist. Erstmals hat man Ende der fünfziger Jahre in Hefezellen mit Hilfe der Transelektronenmikroskopie (TEM) Lysosomen ähnliche Membranstrukturen entdeckt, welche bestimmte Zellorganellen (in diesem Fall defekte Mitochondrien) umschlossen hatten.

Der Begriff Autophagie wurde 1963 von einem der maßgeblichen Forscher, dem belgischen Biochemiker und Zytologen Christian de Duve geprägt. Für seine Entdeckung der lysosomalen Membranstrukturen erhielt er 1974 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Schließlich war es der japanische Zellbiologe Yoshinori Ohsumi, der sich intensiv mit den biologischen Mechanismen der Autophagie und den dafür zuständigen Genen in Hefezellen (Saccharomyces cerevisiae) befasste und für seine bahnbrechenden Entdeckungen ebenfalls den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielt.

Die Autophagie (hier genauer Makrophagie) lässt sich als zellulären Prozess beschreiben, im Rahmen dessen zytoplasmatische Proteine, defekte oder deformierte Makromoleküle und Zellorganellen (wie z. B. defekte Mitochondrien) abgebaut und recycelt werden. Die dabei freiwerdenden Bausteine bzw. die Energie wird zur Zellerneuerung weiterverwendet. Dieser „Reinigungsvorgang“ dient der Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts der Zellen, welches – physiologisch – durch einen jeweils ausgewogenen Anteil an ab- und aufbauenden Prozessen charakterisiert ist. Der mehrstufige Prozess der Autophagie ist inzwischen hinsichtlich seines Ablaufs gut aufgeklärt.

Zelluläre Antwort auf Stress

Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, dass – einleitend – im Zytoplasma Doppelmembranstücke abgesondert werden, die fehlerhafte Biomoleküle oder Organellen einschließen und sich dann zu kleinen Vesikel (den Autophagosomen) entwickeln. Diese verschmelzen in der Folge mit den Lysosomen (zum Autolysosom), welche in ihrem Inneren mit zahlreichen Enzymen (u. a. Proteinasen, Nukleasen, Hydrolasen) ausgestattet und dadurch in der Lage sind, die einverleibten schadhaften Bestandteile abzubauen. Die Autophagie stellt den einzigen Prozess in der Zelle dar, der die Entsorgung größerer Biomoleküle bzw. ganzer Zellorganellen ermöglicht. Die daraus resultierenden Bausteine werden in das Zytoplasma entlassen, wo sie für die Zellerneuerung herangezogen werden.

Die Degradierung von Proteinen, Lipiden, Kohlenhydratstrukturen oder z. B. auch von Ferritin dienen der Aufrechterhaltung intrazellulärer Substratpools (z. B. Aminosäure-, Fettsäurepool) und ermöglichen Neusynthesen und die Gewinnung von ATP. Der komplexe Prozess der Autophagie dient aber nicht nur dem Recycling, sondern ist auch von herausragender Bedeutung für die zelluläre Antwort auf Stress und auch in enger Verbindung mit der Zellgesunderhaltung und Verlängerung der Lebensspanne zu sehen. Eine Störung der Autophagieprozesse wird mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht.

Während man lange Zeit davon ausging, dass mit Hilfe der Autophagie die in den Zellen anfallenden fehlerhaften Moleküle eher unspezifisch metabolisiert werden, konnte inzwischen gezeigt werden, dass die zu recycelten Aggregate oder Organellen eine Markierung erfahren. Dadurch werden hochspezifischen Vorgänge ermöglicht und der, durch falsche Signale ausgelösten, Zellapoptose entgegengewirkt.

Kalorienrestriktion – weniger ist mehr

Die Autophagie wird grundlegend durch Stress (auch ER-Stress, Nährstoffmangel), Hypoxie und bakterielle oder virale Erreger stimuliert. Man geht nach derzeitigen Forschungserkenntnissen davon aus, dass die körpereigene Fähigkeit zur Autophagie im höheren Lebensalter nachlässt. Andererseits häufen sich mit zunehmendem Alter und nachlassenden Reparatursystemen vermehrt schadhafte Biomoleküle und defekte Zellorganellen, die u.a. auch durch gehäuft auftretenden oxidativen Stress und subklinische Inflammationsprozesse in den Zellen vorkommen. Der Aktivierung und Unterstützung der Autophagie kommt daher besonders auch in dieser Lebensphase eine wichtige Rolle zu.

Die Forschung zeigt uns eine Reihe von Autophagie-Induktoren bzw. auch – Inhibitoren auf. So gibt es beispielsweise einen bekannten Zusammenhang zwischen der hypokalorischen Ernährung wie sie in den sogenannten „Blue Zones“ der Erde, wo die Menschen besonders alt werden, praktiziert wird. Auch Heilfasten löst vermehrt Autophagie aus, die nach einer Nahrungsunterbrechnung von mehr als 70 Stunden ihren Höhepunkt erreicht. Die Kalorienrestriktion ist seit Jahrzehnten Gegenstand weltweiter Forschungsvorhaben. Bereits 1935 konnte in tierexperimentellen Versuchen gezeigt werden, dass Tiere, deren Futter rationiert wurde, länger lebten als jene, deren Nahrungszufuhr üppig war. Gesundheitlich relevante Vorteile, die mit einer solchen Ernährungsweise assoziiert werden, betreffen u.a. den verminderten oxidativen Stress, der auch mit einer reduzierten Bildung der Advanced Glycation Endproducts (AGEs) einher geht, sowie eine Verringerung proinflammatorischer Prozesse und die Senkung des Blutspiegels an zirkulierendem Trijodthyronin (T3) sowie eine verringerte Aktivität des sympathischen Nervensystems, wobei es in der Folge u.a. zu einer Abnahme der Körpertemperatur kommt. Auch die körpereigene Konzentration an anabolen Hormonen und Wachstumsfaktoren, die mit dem Alterungsprozess in Verbindung gebracht werden, dürfte hier von Bedeutung sein. Andererseits geht die verminderte Energieaufnahme auch mit einer Steigerung von DNA-Reparaturmechanismen und der Stimulation neurotropher Faktoren einher. Eine hohe Energie sowie eine vermehrte Glukosezufuhr wirken sich dagegen negativ auf die Autophagie aus. Zusätzlich unterstützen kann man den Prozess der Autophagie durch ausreichende und regelmäßige sportliche Aktivitäten sowie einen physiologisch guten Schlaf. Auch die Minimierung von negativem (Di)stress wirkt sich positiv auf die Autophagie aus.

Spermidin induziert die Autophagie

Es gibt Biomoleküle, welche die beschriebenen positiven Effekte, die durch den Nahrungsverzicht erzielt werden, auslösen können. Die Kalorienrestriktions-Mimetika (calorie-restriction Mimetics CRMs). Mit Hilfe dieser Substanzen
lassen sich Autophagie und die mit dem Fasten einhergehenden Stoffwechselprozesse nachahmen. Ein bekanntes und gut erforschtes Beispiel für CRMs ist das Medikament Rapamycin, welches als wirksamer Inhibitor der TOR Signalübertragung gilt. TOR oder genauer mTOR (= molecular target of rapamycin) ist ein System mehrerer Signalübertragungswege, die von wesentlichem Einfluss auf die Zelldifferenzierung und die Zellfunktionen im Allgemeinen sind. Zwischen der Aktivität von mTOR (einer Serin/Threonin-Kinase) und der Autophagie besteht – über komplexe enzymatisch katalysierte Vorgänge – eine inverse Korrelation: Über eine Hemmung von mTOR kann die Autophagie induziert werden, was letztlich über Rapamycin in die Wege geleitet wird. Ein anderes Beispiel für ein CRMs ist das Antidiabetikum Metformin, welches u.a. für seine Sensitivitätsverbesserung der Insulinrezeptoren auf den Oberflächen von Muskel- und Fettzellen und seinen hemmenden Einfluss auf die Glukose- Produktion in der  Leber bekannt ist. Metformin ist aber auch in der Lage über eine Reihe von Signaltransduktionswegen (u.a. AMPK) die Autophagie zu induzieren.

Im Bereich der nicht-medikamentösen Substanzen ist vor allem das Polyamin Spermidin gut untersucht, welches in nahezu allen lebenden Organismen zu finden ist. Das Biomolekül stimuliert die Autophagie über komplexe Regulationsmechanismen, welche die Modulierung des mTOR-Signalwegs, aber auch die Transkription einer Reihe autophagie-relevanter Gene miteinschließt. Spermidin kommt in bestimmten Lebensmitteln (z.B. in Weizenkeimen, Sojabohne, bestimmten Käsesorten, Hülsenfrüchten) in nennenswerter Konzentration vor und ist demzufolge auch in unseren Körperflüssigkeiten (u. a. auch im Sperma) zu finden und kann auf endogenem Weg auch über die Darmmikrobiota synthetisiert werden. Mit zunehmendem Alter nimmt der körpereigene Bestand im Allgemeinen ab. So sind ab dem 60. Lebensjahr nur noch ca. ein Drittel der Konzentrationen, die bei 30 bis 60-jährigen zu finden sind, nachweisbar. Besonders Betagte (100-jährige) zeichnen sich allerdings durch einen besonders hohen Spermidinspiegel aus. Spermidin ist in eine Vielzahl zellulärer Prozesse involviert und übt eine Reihe protektiver Wirkungen (Kardio-, Neuroprotektion, Immunmodulation, lebensverlängernde Wirkung u.a.) aus weshalb das Interesse an diesem Naturstoff sehr groß und dieser Gegenstand unzähliger wissenschaftlicher Studien ist.

Fazit

Die Autophagie ist ein spannender Prozess, der in eukaryontischen Zellen von erheblicher Bedeutung auf die Zellhomöostase und die Gesunderhaltung der Zellen ist. Eine Reihe wissenschaftlicher Daten belegt, dass dieser Recyclingprozess hinsichtlich der Prävention chronisch-degenerativer Erkrankungen und der Lebensspanne eine entscheidende regulatorische Rolle einnimmt.

Prof. Dr. rer. nat. Michaela Döll

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