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Welche Wege findet Spermidin in den Körper ?

Von der Aufnahme und der Verteilung bis zu den wissenschaftlich belegten System-Effekten von Spermidin im Körper1

Spermidin ist ein kleines, positiv geladenes Polyamin, das in allen Lebewesen vorkommt und insbesondere auf der zellulären Ebene von starker Bedeutung ist. So wird Spermidin unter anderem mit der Prävention von Entzündungen und altersbedingten Krankheiten in Verbindung gebracht.

Es stellt sich nun die Frage, auf welchen Wegen Spermidin dem Körper zur Verfügung gestellt werden kann. Im Folgenden werden daher unterschiedlichen Spermidin-Quellen (exogen wie endogen), Aufnahme, Transport und Verteilung von Spermidin im Körper, sowie systemspezifische Wirkungen des Polymaines diskutiert.

Exogene Spermidin-Quellen: Ernährung und Nahrungsergänzung

Da Spermidin in allen Lebewesen (einschließlich Bakterien, Pflanzen, Pilzen und Tieren) vorkommt, ist das Polyamin in der täglichen Ernährung von uns Menschen allgegenwärtig. Der Gehalt an Spermidin variiert jedoch stark von Lebensmittel zu Lebensmittel:

  • Pflanzliche Lebensmittel und Pilze sind die Hauptquellen für Spermidin in unserer Ernährung.
  • Die Lebensmittel mit dem höchsten Spermidingehalt sind Weizenkeime (0,35 mg/g), Sojabohnen (max. 0,180 mg/g), ausgewählte Pilze (bis zu 0,160 mg/g), z. B. der Eringi-Pilz, und verschiedene Nüsse und Samen, wie z. B. Pinienkerne (0,060 mg/g).
  • Lebensmittel tierischen Ursprungs enthalten dagegen deutlich weniger Spermidin.

Der Beitrag einer Mahlzeit zur täglichen Spermidinaufnahme wird durch die Menge des verzehrten Lebensmittels und dessen Spermidingehalt bestimmt. Lebensmittel mit mäßig hohem Spermidingehalt können daher einen ähnlich hohen oder sogar höheren Beitrag zur Spermidinaufnahme liefern. Dazu müssen sie allerdings in größeren Mengen verzehrt werden.

So ergaben humanepidemiologische Studien mit Ernährungsfragebögen, dass Vollkornprodukte, Blattsalate und Erbsen, Äpfel und Birnen sowie Kartoffeln, die grundsätzlich eher mäßig spermidinreich sind, zu den fünf wichtigsten Spermidinquellen in der Ernährung der untersuchten Kohorte gehörten.

Außerdem ist zu beachten, dass auch die Anbaumethoden und Verarbeitungsprozesse der Lebensmittel den Spermidingehalt beeinflussen können. Beim Kochen von Lebensmitteln bleibt der Gehalt an Spermidin zwar relativ stabil, es kann jedoch in das Kochwasser gelangen und dadurch gegebenenfalls verloren gehen. Höhere Temperaturen wie beim Backen, Grillen oder Frittieren können Spermidine zerstören.

Endogenes Spermidin: körpereigene Produktion durch Darmmikrobiom

Interessanterweise sind auch bestimmte Mikroorganismen im Darm sind dazu in der Lage, aus Nahrungsinhaltsstoffen wie z. B. Aminosäuren ganz oder teilweise Polyamine wie Spermidin zu bilden. Dementsprechend besteht eine weitere Möglichkeit, dem Körper Spermidin bereitzustellen, in der Gabe von speziellen, geeigneten probiotischen Mikroorganismen.

In einer japanischen Humanstudie führte der Verzehr von Joghurt, der mit dem probiotischen Stamm Bifidobacterium animalis subsp. lactis in Kombination mit der Aminosäure Arginin angereichert wurde, zu einem signifikanten Anstieg Spermidins im Blut der Probanden. Bei Untersuchungen an Nagetieren verlängerte der gleiche Ansatz die Lebensdauer der Tiere und verbesserte mehrere Biomarker der physiologischen und zellulären Seneszenz.

Als systemspezifisches Ergebnis der Humanstudie zeigte sich bei den Probanden eine Verbesserung der Endothelzellfunktion, die als eine Verminderung von Risikofaktoren für die Entstehung von Atherosklerose interpretiert werden kann.

Der Weg des Spermidins aus der Nahrung und der intestinalen Mikroflora in die Zellen des Körpers: Aufnahme, Transport und Verteilung

Die Darmepithelzellen bilden die erste Barriere des Spermidins in Richtung Blutkreislauf. In präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl diätetisches als auch mikrobiell hergestelltes Spermidin in die Blutbahn und periphere Gewebetypen gelangt. Dabei wird von einer schnellen Kinetik der Aufnahme aus den luminalen Kompartimenten ausgegangen.

Es gibt zwei Hauptwege des Spermidins vom Darmlumen in die Blutbahn:

  1. Aufnahme in Epithelzellen durch apikale Membrantransporter, gefolgt von intrazellulärem Transport und Freisetzung durch die basolaterale Membran
  2. Parazellulärer Transport über passive Diffusion durch den Zellzwischenraum

Während das Polyamin Putrescin (eine Vorläuferstruktur von Spermidin) in den Epithelzellen des Darms leicht metabolisiert zu werden scheint, bleiben Spermidin und Spermin (ein Abbauprodukt von Spermidin) in den Darmzellen relativ unverändert.

Nach Eintritt in den Blutkreislauf können Polyamine relativ rasch von roten und weißen Blutkörperchen aufgenommen werden. Außerdem können sie im Blut auch an eine Reihe von Proteinen gebunden sein. Bei Säugetieren wurden die höchsten Konzentrationen an Polyaminen im Pankreas, in der Milz, im Darm, im Thymus und in der Leber gefunden.

In einer neueren wissenschaftlichen Studie wird die Frage nun diskutiert, ob diätetisches Spermidin, insbesondere in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, im Körper ankommen kann. Grundlage der Diskussion ist die Beobachtung, dass eine hochdosierte Spermidinsupplementierung (15 mg Spermidin pro Tag für 5 Tage) die Spermidinspiegel im Blutplasma und im Speichel von gesunden Probanden nicht erhöhen konnte.2

Festzuhalten ist, dass Aufnahme, Transport und Verteilung von Spermidin im Körper einen komplexen und wissenschaftlich noch nicht vollständig verstandenen Prozess darstellt, so dass eine Darstellung der individuellen Spermidinversorgung durch klinisch-diagnostische Methoden derzeit nur eingeschränkt möglich und sinnvoll ist. Valide Aussagen über den Erfolg einer Supplementierung bzw. eine Aussage über den Versorgungsstatus des Körpers mit Spermidin sind daher auf der Basis von Blutuntersuchungen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft kaum ableitbar.

Dennoch sind die körperlichen Auswirkungen von Spermidin Gegenstand einer Vielzahl von Studien, sowohl präklinisch als auch klinisch. Im Folgenden wird der aktuelle Stand der Wissenschaft zusammengefasst, wobei exemplarisch auf die Untersuchung der Wirkung von Spermidin auf das Herz-Kreislauf-System näher eingegangen wird.

Wirkungen von Spermidin auf den Körper und die wissenschaftlichen Belege

Verlängerte Lebenserwartung & gesund Altern:

Präklinische Studien an Mäusen und anderen Modellorganismen wie dem Hefepilz S. cerevisiae, Würmern und der Fliege haben gezeigt, dass eine Supplementierung mit Spermidin die Lebenserwartung der Tiere signifikant verlängern kann. Dies gilt bei Untersuchungen an Mäusen sowohl für eine lebenslange Supplementierung ab dem 4. Lebensmonat (entspricht ca. 14 Lebensjahren beim Menschen) als auch für eine spätere Supplementierung im Alter ab 18 Lebensmonaten (entspricht ca. 60 Lebensjahre beim Menschen).

Weitere systemspezifische Wirkungen von Spermidin:

Wie Spermidin beim Menschen auf die einzelnen Organe wirkt, ist bislang noch relativ unerforscht. Tatsache ist jedoch, dass eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten auf eine systemische, d. h. organübergreifende Wirkung des Polyamins hinweisen. Auf diese Weise stellt Spermidin in präklinischen Studien eine Rolle in den folgenden Körper-Systemen und bei der Prävention und Behandlung der dazugehörigen aufgeführten Erkrankungen unter Beweis.3

  • Kardiovaskuläre System: Koronare Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck
  • Nervensystem: Alzheimer-Krankheit, Parkinson-Krankheit
  • Metabolische System: Typ-2-Diabetes mellitus, Übergewicht, Metabolisches Syndrom
  • Muskuloskelettale System: Osteoporose, Sarkopenie, Osteoarthritis
  • Immunsystem: Infektion, Kolitis, Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Klinische und epidemiologische Humanstudien weisen außerdem auf eine Beteiligung von Spermidin an folgenden systemspezifischen Effekten hin:

  • Verbesserung der Gedächtnisleistung
  • Verminderung des kardiovaskulären Sterberisikos
  • Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit
  • Verbesserung der Endothelfunktion
  • Verminderung des karzinogenen Sterberisikos
  • Verbesserung der Haarfollikel-Funktion

Beispiel: Die Wirkung von Spermidin auf das Herz-Kreislauf-System

  • In einer prospektiven populationsbasierten Kohortenstudie konnte ein direkter Zusammenhang zwischen einer erhöhten Aufnahme von Spermidin über die Ernährung und einer verbesserten kardiovaskulären Gesundheit nachgewiesen werden.
  • Aus präklinische Daten von Nagetieren geht hervor, dass die Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit von Spermidin darauf beruht, die Autophagie in den Zellen anzuregen: In den Kardiomyozyten von Mäusen löst Spermidin die Mitophagie aus – eine besondere Form der Autophagie, die spezifisch dysfunktionale Mitochondrien beseitigt. Wenn Mitochondrien geschädigt werden, können diese schädliche reaktive Sauerstoffspezies (über-)produzieren und dadurch zum Tod der Zelle führen. In diesem Fall erhält die Entsorgung der geschädigten Mitochondrien über die Mitophagie eine gesunde Zellfunktion der Herzmuskelzellen. Dies ist besonders wichtig für Zellen, die aufgrund ihres relativ hohen Energiebedarfs einen hohen Anteil an Mitochondrien aufweisen müssen, wie es bei den Herzmuskelzellen der Fall ist.
  • Außerdem zeigt eine weitere präklinische Studie am Rattenmodell, dass Spermidin einem im Labor induzierten Herzinfarkt entgegenwirken kann, indem es den autophagischen Fluss erhöht.
  • Darüber hinaus könnte die Gabe von Spermidin während der Schwangerschaft bei Ratten die schädlichen Auswirkungen einer Hypoxie, wie zum Beispiel strukturelle Defekte in den Mitochondrien, verminderte mitochondriale Biogenese und Atmungsstörungen, verhindern.
  • Neben der Fähigkeit, die Autophagie in Herzmuskelzellen zu induzieren, vermag Spermidin das Herz-Kreislauf-System auch dahingegen zu schützen, indem es chronische Entzündungen hemmt und den Blutdruck senkt.
  • Die Blutdruck-senkende Wirkung Spermidins basiert unter anderem auf der Autophagie-vermitteln Verbesserung der Nierenfunktion durch das Polyamine. Tiere, die mit Spermidin supplementiert wurden, wiesen in den Nieren eine erhöhte Autophagie-Aktivität auf. Bei Ratten, die einen gestörten renalen Salzstoffwechsel aufweisen, verzögerte die Behandlung mit Spermidin das Auftreten verschiedener Anzeichen einer hypertensiven Nierenschädigung.

Zusammengenommen deuten diese zahlreichen Untersuchungsergebnisse auf eine mögliche systemische Schutzwirkung von Spermidin auf das Herz-Kreislauf-System hin.

 

1 Madeo F, Hofer SJ, Pendl T, et al. Nutritional Aspects of Spermidine. Annu Rev Nutr. 2020;40:135-159. doi:10.1146/annurev-nutr-120419-015419

2 Senekowitsch S, Wietkamp E, Grimm M, et al. High-Dose Spermidine Supplementation Does Not Increase Spermidine Levels in Blood Plasma and Saliva of Healthy Adults: A Randomized Placebo-Controlled Pharmacokinetic and Metabolomic Study. Nutrients. 2023;15(8):1852. Published 2023 Apr 12. doi:10.3390/nu15081852

3 Ni YQ, Liu YS. New Insights into the Roles and Mechanisms of Spermidine in Aging and Age-Related Diseases. Aging Dis. 2021;12(8):1948-1963. Published 2021 Dec 1. doi:10.14336/AD.2021.0603

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