Der Einfluss von Fasten und Fasten-Mimetika
Jeden Tag ereignen sich in unserem Körper etwa 1.000.000.000.000.000.000.000 DNA-Schäden.
Das klingt zunächst äußerst bedrohlich. Unser Organismus schafft es jedoch, diese mittels effektiver körpereigener DNA-Reparatursysteme auf effiziente und beeindruckende Weise auszugleichen.
Interessant ist nun, dass die Fähigkeit des Körpers, die DNA zu reparieren, dank neuester Forschungsmethoden gemessen werden kann. Ebenso kann labortechnisch festgestellt werden, ob bestimmte Umstände oder äußere Faktoren diese Reparaturmechanismen beeinflussen können.
Stimulation durch Fasten
So zeigen beispielsweise aktuelle Forschungsergebnisse, dass eine Kalorienrestriktion nach der F.X. Mayr Fasten-Therapie eine positive Auswirkung auf die DNA-Reparaturkapazität beim Menschen haben kann.1
Die Studie zeigte eine signifikante Steigerung der körpereigenen DNA-Reparaturkapazität gerade bei den Personen, deren Reparaturkapazität vor der Fasten-Therapie nur gering ausgeprägt war. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass in Systemen mit bereits hoher Selbstreparatur, nur wenig Optimierung möglich ist. Darüber hinaus zeigte die Studie auch eine signifikante Zunahme der AMPK- und Sirt1-Spiegel. AMPK fungiert als Energiesensor in den Zellen und schaltet bei Energie-Mangel stark energieverbrauchende Biosynthesen ab und stimuliert gleichzeitig die Autophagie. Auch Sirt1 spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation von Entzündungen, Apoptose, DNA-Reparaturen und Autophagie. Studien-Probanden mit hoher DNA-Reparatur-kapazität wiesen im Grundniveau hohe Sirt1-Werte auf, während Probanden mit geringer DNA-Reparaturkapazität niedrige Sirt1-Werte zeigten. Die F.X. Mayr Therapie führte zu einer deutlichen Steigerung der Sirt1-Werte.
Stimulation durch das Fasten-Mimetikum Spermidin
Neben dem Fasten gibt es spezielle, in der Natur vorkommende Substanzen, die die positiven Effekte der Kalorienrestriktion bzw. des Fastens ersetzen oder unterstützen können, so genannte Kalorienrestriktions- oder Fasten-Mimetika. Eine solche Substanz ist Spermidin, welches eine Reihe von positiven Effekten hervorruft. Es stimuliert die Autophagie, verbessert die mitochondriale Funktion und beeinflusst epigenetische Prozesse. So belegen wissenschaftliche Studien positive Effekte von Spermidin auf die allgemeine Gesundheit: Es senkt das Sterblichkeitsrisiko, wirkt Demenz entgegen, schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und senkt durch die Stimulation der Autophagie die Viruslast bei Infektionen.2
Spermidin und das Altern
Die Konzentration an körpereigenem Spermidin nimmt mit dem Alter auf natürliche Weise ab. Demgegenüber wurden jedoch bei 90- und 100-Jährigen, also Personen eines überdurchschnittlichen Alters, „Spitzenwerte“ an Spermidin festgestellt.3 Circa ein Drittel des körperlichen Spermidinbedarfs kann durch die zelleigene Produktion und das Mikrobiom gedeckt werden. Der größere Teil wird über die Nahrung bzw. über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen.
Aber Spermidin kann nicht nur Autophagie! – Es stimuliert auch die körpereigenen Schutzsysteme.
Altern ist ein durchaus komplexer Prozess, der von verschiedenen molekularen Faktoren beeinflusst wird, darunter auch die Verkürzung der Telomere.4
Telomere sind die Enden unserer linearen Chromosomen, also der X- und Y- förmigen DNA-Strukturen in unseren Zellen. Sie bestehen aus repetitiver DNA (sich in der Nukleotid-Sequenz wiederholende DNA-Fragmente) und daran gebundenen Proteinen. Bei jeder Zellteilung werden die Telomere kürzer, und wenn die Telomerlänge eine kritische Länge erreicht hat, teilt sich die entsprechende Zelle nicht mehr. Dieses Phänomen wird als Hayflick-Limit bezeichnet und ist ein intrinsischer Schutz-Mechanismus der Zellen – die sogenannte zellulären Seneszenz.
Exkurs: Das Hayflick-Limit und der Schutzmechanismus der zellulären Seneszenz
Im Jahr 1961 gelang es Leonard Hayflick erstmals, menschliche diploide Zellen erfolgreich im Labor zu kultivieren. Dabei machte er eine interessante Entdeckung: Nach etwa 50 Teilungen stellten die menschlichen Zellen ihre Zellteilung ein und begannen abzusterben. Dieses Phänomen wurde als Hayflick-Limit bekannt. Hayflick und Moorhead stellten fest, dass diese Begrenzung auf intrinsische Faktoren zurückzuführen ist, die sich als Seneszenz auf zellulärer Ebene äußern. Mit anderen Worten, die Zelle besitzt einen inneren Mechanismus, der zu ihrer Alterung und letztendlich zum Tod führt.
Aber wie „zählt“ eine so kleine Zelle bis 50? Hier kommt das zelluläre Konzept der Telomere ins Spiel. Bei jeder Zellteilung werden die Chromosomen an ihren Enden, den Telomeren, kürzer. Ab einer gewissen Länge der Telomere findet keine weitere Zellteilung mehr statt. Dieses Phänomen wird auch als „Endreplikationsproblem“ linearer DNA bezeichnet.
Die Telomere bestehen aus repetitiver DNA und assoziierten Proteinen und dienen als Schutzkappen für die linearen Chromosomen. „Junge“ Telomere sind in der Regel etwa 10.000 Nukleotide lang. Bei jeder Zellteilung geht eine gewisse Anzahl von Nukleotiden verloren, in der Regel etwa 100 Stück pro Teilung. In der Zellkultur gehen somit nach 50 Teilungen etwa 5.000 Nukleotide der Telomere verloren. Dadurch erreichen die Telomere eine kritische Länge beziehungsweise Kürze, bei der sich die Zelle nicht mehr teilt. Dies ist das Hayflick-Limit.
Aber warum teilen sich Zellen mit verkürzten Telomeren nicht mehr? Es stellte sich heraus, dass kritisch kurze Telomere ein wichtiges Signal für die Zelle sind. Zellen mit zu kurzen Telomeren sollten sich besser nicht mehr vermehren, sondern eher eliminiert werden. Dieser Mechanismus der zellulären Seneszenz dient daher als Schutzmechanismus, um die Zelle vor unkontrolliertem Wachstum und möglicherweise schädlichen Mutationen zu bewahren.
In diesem Kontext haben verschiedene wissenschaftliche Arbeiten die geroprotektiven Eigenschaften des Moleküls Spermidin untersucht.5 Bisher noch unveröffentlichte Arbeiten von Herrn Prof. Dr. Bergemann, Hochschule Sigmaringen, konzentrieren sich derzeit auf die in vitro-Untersuchung der geroprotektiven Wirkung von Spermidin an humanen Fibroblasten. Dabei wird unter anderem die DNA-Reparaturkapazität untersucht und interessante vorläufige Ergebnisse der Arbeitsgruppe deuten bereits darauf hin, dass Spermidin die Reparatur-Aktivität fördern kann, insbesondere bei den humanen Fibroblasten der älteren Teilnehmern. Darüber hinaus könnte Spermidin die Expression so genannter „Schutzgenen“ wie PGC-1a, SIRT-1 und SOD-2 erhöhen, die eine Rolle im Energiestoffwechsel, in der mitochondrialen Biogenese und beim Schutz vor oxidativem Stress spielen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Spermidin die mitochondriale Funktion, gemessen an der Sauerstoffverbrauchsrate und der ATP-Produktion, stimulieren kann.
Diese vorläufigen Ergebnisse werden durch eine bereits veröffentlichte Arbeit der Arbeitsgruppe Bergemann unterstützt, in der die mRNA-Expression von alterungsassoziierten Genen bei einer Kalorienreduktion untersucht wurde.6 Die Studie zeigte, dass eine Kalorienreduktion in Form der F.X. Mayr Fasten-Therapie zu einer erhöhten Expression der Schutzgene SIRT1 und XPA führen kann, was infolgedessen zu einem gesünderen Altern beitragen könnte.
Die Bedeutung der Telomerlängen im Zusammenhang mit dem Altern und altersbedingten Erkrankungen wird immer deutlicher. Die Telomere verkürzen sich mit zunehmendem Alter und sind auch von unterschiedlichen Umwelteinflüssen (negativ: ungesunde Ernährung, UVA-Strahlung, Übergewicht, Rauchen, Stress; positiv: gesunde Ernährung, Bewegung statt Dauersitzen, Nahrungsergänzung, Antioxidantien) betroffen. Verkürzte Telomere wurden mit einer Vielzahl von Krankheiten in Verbindung gebracht, wie beispielsweise Brustkrebs, Diabetes, Osteoporose, Arthritis und Demenz. Um die Situation der Telomerlänge im Körper zu bestimmen, werden derzeit diverse Tests angeboten, deren Genauigkeit und Aussagekraft jedoch kritisch zu betrachten sind, insbesondere bei routinemäßigen Anwendungen. In der Forschung sind derartige Tests jedoch sehr genau, aber auch sehr kostspielig.
Weitere bisher unveröffentlichte Studiendaten der Arbeitsgruppe Bergemann geben deutliche Hinweise darauf, dass sowohl Coenzym Q10 als auch Spermidin einen schützenden Effekt gegen die Abnahme der Telomerlänge haben können. Darauf lässt sich schließen, dass diese Substanzen eine gewisse Stabilisierung der Telomerlängen fördern und damit möglicherweise die Alterung verlangsamen können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Fasten-Mimetikum Spermidin ein Molekül mit vielseitigen geroprotektiven Eigenschaften ist. Es stimuliert die DNA-Reparaturkapazität, verstärkt die Expression von Schutzgenen, fördert die mitochondriale Funktion und zeigt eine schützende Wirkung auf die Telomerlängen. Die Forschung rund um Spermidin schreitet weiter voran. Immer mehr Erkenntnisse seiner positiven Auswirkungen auf den Alterungsprozess können erwartet werden.
1 Matt K, Burger K, Gebhard D, Bergemann J. Influence of calorie reduction on DNA repair capacity of human peripheral blood mononuclear cells. Mech Ageing Dev. 2016;154:24-29. doi:10.1016/j.mad.2016.02.008
2 Madeo F, Hofer SJ, Pendl T, et al. Nutritional Aspects of Spermidine. Annu Rev Nutr. 2020;40:135-159. doi:10.1146/annurev-nutr-120419-015419
3 Pucciarelli S, Moreschini B, Micozzi D, et al. Spermidine and spermine are enriched in whole blood of nona/centenarians. Rejuvenation Res. 2012;15(6):590-595. doi:10.1089/rej.2012.1349
4 López-Otín C, Blasco MA, Partridge L, Serrano M, Kroemer G. Hallmarks of aging: An expanding universe. Cell. 2023;186(2):243-278. doi:10.1016/j.cell.2022.11.001
5 Hofer SJ, Simon AK, Bergmann M, Eisenberg T, Kroemer G, Madeo F. Mechanisms of spermidine-induced autophagy and geroprotection. Nat Aging. 2022;2(12):1112-1129. doi:10.1038/s43587-022-00322-9
6 Matt K, Hochecker B, Schöller-Mann A, Bergemann J. mRNA expression of ageing-associated genes in calorie reduction is subject to donor variability and can be induced by calorie restriction mimetics. Nutr Health. 2020;26(3):253-262. doi:10.1177/0260106020932732