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Die Impulsgeber der Autophagie auf einen Blick

Die Impulsgeber der Autophagie auf einen Blick

Autophagie-Induktoren

Das körpereigene Reinigungsprogramm langfristig stärken

Mit zunehmendem Alter nimmt die Autophagie-Aktivität im Körper mehr und mehr ab. Die dringend benötigte Tiefenreinigung bleibt aus. Das schwächt die Zellen. Aus Veränderungen und Störungen der zellulären Ebene entwickeln sich nach und nach im Gewebe unterschwellige Entzündungen. Man spricht von Inflammaging. Typische Alterserkrankungen können resultieren.

Neuste Forschungsergebnisse zeigen jedoch:
Spezifische Induktoren können die Autophagie nachhaltig anregen und folglich vor altersbedingten Erkrankungen schützen. Diese Induktoren sind neben natürlichen Wirksubstanzen wie beispielweise Spermidin, Resveratrol oder auch unterschiedliche NAD+-Vorstufen auch gewisse Verhaltensweisen der Ernährung, Sport, gesunder Schlaf und reduzierter Stress. Zusammengenommen vermitteln sie dem Körper erhebliche Autophagie-Impulse.

Im Folgenden nehmen wir im Detail Stellung zu den einzelnen genannten Autophagie-Induktoren.

Induktor A: Aktivierung der Autophagie über die Ernährung

Kalorienrestriktion und ihre Wirkungsnachahmer, die sogenannten Kalorienrestriktion-Mimetika (engl. caloric restriction mimetics, CRM)1

Der natürlichste aller Autophagie-Induktoren ist die Kalorienrestriktion – ein Impuls über die Ernährung. Die Restriktion verursacht, dass die Zellen des Körpers nicht vollends mit Nährstoffen und Energie versorgt werden. Das zwingt sie, in den sogenannten „Selbstversorgermodus“ überzugehen.2

Denn um unter den Bedingungen einer Kalorienrestriktion zu funktionieren beziehungsweise zu überleben, müssen Zellen aus eigener Kraft ihren Bedarf decken. Die fehlende Zufuhr kompensieren sie, indem sie durch Autophagie ihren angehäuften molekularen Abfall recyclen. Und ganz nebenbei hält das aufgezwungene Reinigungsprogramm die Zellen jung, vital und agil.

Mit Augenmerk auf den biochemischen Mechanismus passiert in der Zelle Folgendes:
Der zelluläre Nährstoff- und Energie-Sensor AMPK sowie das als Langlebigkeitsprotein beschriebene Sirtuin‐1 werden aktiviert. Das initiiert unmittelbar die Autophagie. Gleichzeitig wird ein zweiter zelluläre Energie-Sensor, der mTORC1, einerseits durch die Bedingungen des Nährstoff- und Energiemangels selbst, anderseits durch die Aktivierung von AMPK und Sirtuin‐1 in seiner Funktion gehemmt. mTORC1 ist der Negativregulator der Autophagie. Das bedeutet, wenn mTORC1 aktiv ist, wird die Autophagie der Zelle unterdrückt. Andersherum, wenn mTORC1 gehemmt ist, wie es bei einer Kalorienrestriktion der Fall ist, läuft die Autophagie der Zelle mit voller Kraft.3

Die wissenschaftliche Definition einer Kalorienrestriktion (engl. caloric restriction, CR) lautet: Weniger Kalorien zu sich nehmen, als der Körper für seine täglichen Aktivitäten benötigt, ohne jedoch eine Unterversorgung mit Mikro- und Makronährstoffen zu verursachen. Also weniger, aber vitalstoffreich essen.4

Um eine CR pragmatisch im Alltag zu integrieren, wurden ernährungswissenschaftlich unterschiedliche Strategien entwickelt. Insbesondere sind die verschiedenen intermittierenden Fastenvarianten, wie z. B. das time-restricted eating (bekannt als 16:8) oder periodische Fasten (z. B. die 5:2-Variante) zu nennen. Eine dauerhafte Umstellung des Ernährungsverhalten ist jedoch auch mit zeitlich beschränkten Essenszeiten nicht immer leicht umzusetzen. Aus diesem Grund wecken neuerdings sogenannte Kalorienrestriktion-Mimetika (engl. caloric restriction mimetics, CRM) das Interesse der Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Wissenschaftler untersuchten Substanzen, die bereits als natürliche Komponenten Teil der menschlichen Ernährung sind, und man entdeckte, dass einige von ihnen die zahlreichen gesundheitsförderlichen Effekte einer Kalorienrestriktion im Körper nachahmen können. Sie aktivieren die Autophagie, ohne tatsächliches Fasten beziehungsweise Hungern. Folglich wurden sie als Kalorienrestriktion-Nachahmer beziehungsweise im Englischen als caloric restriction mimetics, CRM, benannt.

In einer Vielzahl experimenteller Modellorganismen dargestellt, ist es wissenschaftlich bewiesen, dass CRM die sogenannte lifespan and healthspan verlängern können. Das bedeutet einerseits die Lebenszeit im Allgemeinen und anderseits, was wahrscheinlich noch viel interessanter ist, die Lebenszeit bei gesundem Wohlbefinden. Die wissenschaftlichen Tiermodelle geben damit erste Hinweise darauf, dass durch eine Therapie mit CRM ein gesundes Altwerden ermöglicht werden kann.

Derzeit forschen zahlreiche Wissenschaftler unter anderem an CRM der Substanzklassen der Polyamine (wie z. B. das Spermidin), der Polyphenolen (u. a. Resveratrol, Curcumin oder Quercetin) sowie an verschiedenen NAD+-Vorstufen. Auch klinische Studien am Menschen werden zunehmend geplant und durchgeführt.

Nachfolgend werden Ihnen die verschiedenen genannten CRM vorgestellt und die jeweils aktuelle Studiensituation beschrieben.

Spermidin

Spermidin ist ein biogenes Polyamin. Mit seiner chemischen Struktur eines kleinen, positiv geladenen Moleküls ist es gerade mal so groß wie eine Aminosäure. Dennoch spielt Spermidin eine wesentliche Rolle in jeder einzelnen Zelle des Körpers. Denn als CRM ist Spermidin ein bedeutender Autophagie-Induktor der Ernährung.5

Polyamine kommen auf natürlicher Weise und ubiquitär, also allgegenwärtig, in der Natur vor. Demnach sind sie auch in einer Vielzahl von Lebensmitteln zu finden. Tatsächlich sind Polyamine ein nicht wegzudenkender Teil unserer täglichen Ernährung. Außerdem kann der Köper Polyamine in Eigenregie bilden. Dies geschieht einerseits innerhalb des Stoffwechsels der Zellen, andererseits produzieren die Bakterien im Mikrobiom Polyamine, die dann über den Dickdarm in den Körper aufgenommen werden können.

In experimentellen Tiermodellen und beim Menschen wird Spermidin eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. So beispielsweise bei Mäusen: Über das Futter verabreichtes Spermidin hebt bei den Nagern kardio- und neuroprotektive Wirkungen hervor. Grundlage ist die Aktivierung der Autophagie, die letzten Endes die Lebens- und Gesundheitsspanne (lifespan and healthspan) der Tiere verlängert.

Doch je älter wir werden, desto weniger Spermidin findet seinen Weg in den Körper. Es ist das gleiche Spiel wie mit der Autophagie. Warum das so ist, wird wissenschaftlich derzeit kontrovers diskutiert. Wahrscheinlich versagen alle drei Spermidinquellen – die Aufnahme aus der Ernährung, der Stoffwechsel und das Mikrobiom – gleichermaßen.

Demgegenüber ist besonders bemerkenswert, dass man bei der Untersuchung von gesundheitlich fitten 90- bis über 100-Jährige relativ hohe Spermidinwerte im Blut finden konnte. Werte, die man vergleichbar eher bei Personen des mittleren Alters zwischen 30 und 50 Jahren vermuten würde.6 Auch im Nacktmull, einem Tier, dass von Natur aus einfach nicht altert, bleibt der Spermidinspiegel ein Leben lang konstant hoch!7

Wir können daraus ableiten, wie gewinnbringend es für die Gesundheit im Alter sein könnte, auf natürlichem Wege bestmöglich alle drei Spermidinquellen zu halten, sei es mit einer spermidinreichen Ernährung, spermidinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln oder Probiotika, die die körpereigene Polyaminproduktion anregen.

Auch in der Klinik findet man bereits signifikante wissenschaftliche Belege, die eine Präventionstherapie auf Basis einer Supplementierung mit Spermidin oder auch der genannten Probiotika8 insbesondere in Bezug auf die kardiovaskuläre und kognitive Gesundheit rechtfertigt.

So beispielsweise in einer der neusten Beobachtungsstudien aus China, publiziert 2022 in Frontiers in Aging Neuroscience. Die Untersuchung von insgesamt 3774 Studienteilnehmern zeigte, dass erhöhte Spermidinwerte im Blutserum ein reduziertes Risiko anzeigen, an leichten kognitiven Beeinträchtigungen – eines der ersten Anzeichen einer beginnenden Demenz – zu leiden. Die Ergebnisse der Studie wurden von den Autoren dahingehend interpretiert, dass Spermidin einerseits über seine Wirkung als Autophagie-Induktor die mentale Gesundheit schützen, anderseits der Spermidinwert als biochemischer Blut-Marker der Früherkennung kognitiver Störungen dienen kann.9

In einer weiteren prospektiven Bevölkerungsstudie aus Italien, publiziert 2018 in The American Journal of Clinical Nutrition, untersuchten die Wissenschaftler dieses Mal nicht direkt Spermidinserumwerte, sondern sie bewerteten sehr detailliert die Ernährungsgewohnheiten der insgesamt 829 Probanden mittels von Ernährungsberatern geleiteten, wissenschaftlich validierten Fragebögen. Dies geschah über zwanzig Jahre hinweg. Die Auswertung der sogenannten Brunecker Studiendaten ergab einen wesentlichen Zusammenhang zwischen einer hohen Aufnahme von Spermidin über die Nahrung und einem niedrigem Sterblichkeitsrisiko in einer der drei Kategorien: vaskuläre Todesfälle, Krebstodesfälle oder Todesfälle durch andere Ursachen. Die Korrelation widerstand der Korrektur um mögliche Störfaktoren wie Alkohol- und Aspirinkonsum, Qualität der Ernährung, körperliche Aktivität und sozioökonomischer Status.

Interessanterweise wurde die Bruneck-Studie mit der SAPHIR-Studie, also einer zweiten, unabhängigen Kohorte von 1770 Teilnehmern in den Jahren von 1999 bis 2002 wiederholt und die Ergebnisse bestätigten sich: Eine spermidinreiche Ernährung ging mit einer erhöhten Überlebensraten der Probanden einher. Spermidin zeigte innerhalb der 146 untersuchten Makro- und Mikronährstoffe die deutlichste gegenläufige Korrelation zur Mortalität.10

Kurzum, es belegen derzeit sowohl eine Vielzahl präklinischer als auch klinischer Studien die positive Wirkung von Spermidin auf das gesellschaftliche Anstreben, gesund zu altern. Eine Reflektion und gegebenenfalls Intervention der individuellen Spermidinversorgung ist demnach hinsichtlich der Prävention sicher zu empfehlen.

Die Polyphenole

Ebenso wie Polyamine bilden auch Polyphenole einen festen Bestandteil der menschlichen Ernährung. Man findet sie in jeglichen Formen von Pflanzen, und zwar in einer großen chemischen Vielfalt. Ihre biochemischen Aufgaben liegen vorwiegend in der Verteidigung und der Kommunikation.

Untersucht man beispielsweise pflanzliche Lebensmittel und Getränke, findet man etwa 800 verschiedene Polyphenole, vor allem in Beeren, Vollkorngetreide, Kakao, Kaffee und Tee. Die durchschnittliche Aufnahme über eine ausgewogene, gesunde Ernährung liegt bei etwa 1 g pro Tag. Die prominentesten Vertreter der Polyphenole mit kalorienrestriktion-nachahmender Wirkung sind Resveratrol, Curcumin und Quercetin.11

Resveratrol

Resveratrol konnte in bis zu 100 Pflanzenarten aus insgesamt 35 verschiedenen Taxonomien nachgewiesen werden. Preiselbeeren prägen mit bis zu 3 mg Resveratrol pro 100 g die Spitze der resveratrolreichen Lebensmittel. Auch die Schale roter Trauben ist besonders reich an Resveratrol, was zu einem relativ hohen Gehalt von ebenso 3 mg Resveratrol pro 100 ml im Rotwein führen kann.

Vergleichbar mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Spermidin konnte auch den Polyphenolen – in präklinischen Studien dargelegt – ein breites gesundheitsförderliches Wirkspektrum, einschließlich eines verringerten Sterberisikos, zugeschrieben werden. Demgegenüber berichtet die klinische Studiensituation zu Resveratrol zwar von vielversprechenden, aber zum Teil auch gemischten Ergebnissen. Die Inhomogenität ist jedoch meist den unterschiedlichen Studiendesigns geschuldet, nicht dem eigentlichen Potential der Substanz. Kleine Studienpopulationen und unterschiedliche Dosierungen verschleiern vielfach das wissenschaftliche Bild.

Während beispielsweise drei Metaanalysen (das sind Zusammenfassungen von primären wissenschaftlichen Studien mit quantitativer und statistischer Gesamtauswertung der Ergebnisse) keinen Effekt einer Behandlung mit Resveratrol auf den Blutzuckerspiegel feststellen, berichten drei andere Analysen, dass Resveratrol genau das könne. Weitere drei Metaanalysen, die die Auswirkung von Resveratrol auf das glykosylierte Hämoglobin (HbA1c) analysierten, bestätigen, dass Patienten von einer Resveratrolbehandlung profitieren würden. Insgesamt häufen sich die wissenschaftlichen Belege, dass Resveratrol die Blutwerte von C-reaktivem Protein (CRP) und den Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) verringert. Dies stellt blutdiagnostisch dar, dass Resveratrol chronisch unterschwelligen Entzündungen im Alter, dem Inflammaging, entgegenwirken kann.

Zudem zeigen umfangreiche präklinische Belege detailliert die mechanistischen Zusammenhänge des durch Resveratrol verlangsamten Voranschreitens des Alterungsprozesses mit der Aktivierung von AMPK über Sirtuin-1. AMPK ist ein wesentlicher Energie-Sensoren der Zelle und positiver Regulator der Autophagie.

Curcumin

Das Polyphenol Curcumin findet man in der Wurzel der Pflanze Curcuma longa, also dem Gewürz Kurkuma. In Indien wird die tägliche Verzehrmenge auf durchschnittlich 60–100 mg pro Tag geschätzt.

Auch epidemiologische und klinische Studiendaten zu Curcumin häufen sich. Metaanalysen belegen, dass eine Curcuminsupplementierung sich positiv auf den BMI (body mass index), das Körpergewicht, den Taillenumfang und sogar den Körperfettanteil auswirken kann. Insbesondere verringerte die Einnahme des Polyphenols den Anteil an viszeralem Fett. Curcumin senkte den Gesamtcholesterin-Wert und den Anteil an Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Supplementierung mit Curcumin bei einer prä-diabetischen Studienpopulation verbesserte die Gesamtfunktion der B-Zellen und verringerte die Anzahl der Probanden, die tatsächlich an Typ-2-Diabetis erkrankten.

Curcumin ist ebenfalls aufgrund seiner entzündungshemmenden Eigenschaften Gegenstand intensiver Forschung. Interessanterweise konnte klinisch beobachtet werden, dass eine Supplementierung mit Curcumin die im Blut zirkulierenden Konzentrationen proinflammatorischer und antiinflammatorischer Biomarker verbesserte, und zwar unabhängig vom Gesundheitszustand der Probanden. Tatsächlich zeigte eine Metaanalyse von insgesamt 32 Primärstudien eine Verringerung von CRP, TNF-a und Interleukin 6 sowie einen Anstieg in der Konzentration von Interleukin 10.

Bisher werden mehrere Wirkmechanismen für Curcumin in Bezug auf das biologische Altern diskutiert, darunter die Induktion von Mitophagie, eines Subtyps der Autophagie. Die Regulation erfolgt über die Stimulierung der AMPK- und Sirtuin-1-Signalkaskaden beziehungsweise über die Hemmung von mTORC1. Unterm Strich kann mit Hilfe von Curcumin insbesondere die Mitochondrienfunktion, und damit die Energiesituation der Zelle verbessert werden.

Quercetin

Quercetin ist tatsächlich eines der am intensivsten erforschten Polyphenole. Insbesondere für seine entzündungshemmende Wirkung und seine wissenschaftliche Stellung als Anti-cancer- und Anti-aging-Substanz ist Quercetin bekannt. Hauptsächlich findet man es in Zwiebeln, Äpfeln und Beeren.

In einer Vielzahl klinischer Studien wurden Effekte einer Quercetinsupplementierung auf die Prävention und Behandlung chronischer Krankheiten als positiv bewertet. Metaanalysen weisen über die Erhebung von Lipidprofildaten darauf hin, dass die Behandlung mit Quercetin zu einer Veränderung der Plasmalipidzusammensetzung führte. Insbesondere High-Density-Lipid-Cholesterin und -Triglyceride, die als Biomarker des metabolischen und kardiovaskulären Risikos diskutiert werden, waren verbessert.

Quercetin zeigte in Studien zwar keinen nachweisbaren Effekt auf BMI, Körpergewicht und Taillenumfang, jedoch senkte die Behandlung mit dem Polyphenol den Blutdruck der Probanden. Es wurde bisher von keinen relevanten Gesamteffekten auf Entzündungsmediatoren berichtet.

Die NAD+-Vorstufen

Nicotinsäure (auch Niacin oder Vitamin B3 genannt), Nicotinamid, Nicotinamid-Ribosid und Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) sowie die Aminosäure Tryptophan sind allesamt biochemische Vorstufen des NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) und in der natürlichen Ernährung des Menschen allgegenwärtig zu finden.

Das Redox-Paar NAD+/NADH sowie die dazugehörigen phosphorylierten Derivate NADP/NADPH sind universell einsetzbare körpereigene Coenzyme der Zelle. Sie dienen Enzymen wie den Oxidoreduktasen, den Dehydrogenasen und den Sirtuinen als Reaktionspartner in zentralen zellulären Energiestoffwechselwegen (z. B. Glykolyse, TCA-Zyklus) und der grundlegenden Signalweiterleitung. Kurzum, NAD+ ist von wesentlicher Bedeutung für das ordentliche Funktionieren jeder Zelle. Vor allem jedoch Organe mit einem erhöhten Energiebedarf wie das Herz, das Gehirn oder auch die Muskulatur benötigen besonders viel des Redox-Paars NAD+/NADH.

Zahlreiche präklinische Studien belegen die CRM-artigen Effekte der NAD+-Vorstufen-Supplementierung. Unter anderem fördern sie die mitochondriale Funktion, wirken kardio- wie neuroprotektiv und verlängern Lebens- und Gesundheitsspanne (lifespan and healthspan). Die Induktion der Autophagie ist der grundlegende Mechanismus.

Wie von Spermidin bereits bekannt, nimmt auch die NAD+-Konzentration im Körper mit dem Alter ab, und damit geht die gesundheitserhaltende Wirkung des so wichtigen Cofaktors mit der Zeit verloren. NAD+-Vorstufen sind in Lebensmitteln sowohl tierischen als auch pflanzlichen Ursprungs reichlich vorhanden. Demnach kann der körpereigene NAD+-Spiegel durch gewisse Ernährungsgewohnheiten sowie körperliche Aktivitäten/Sport auf natürliche Weise erhöht werden. Nüsse, insbesondere Erdnüsse, sowie Fleisch und Fisch sind natürliche Quellen der NAD+-Vorstufen in höheren Konzentrationen.

Eine Neuauswertung der im Rahmen der Bruneck-Studie gesammelten klinischen Daten (siehe Spermidin) konnte zeigen, dass eine Ernährung reich an verschiedenen NAD+-Vorstufen das kardiovaskuläre Sterblichkeitsrisiko und den systolischen Blutdruck der Probanden senken konnte.

Nicotinamid-Ribosid, Nicotinamid und andere NAD+-Vorstufen werden derzeit vermehrt in weiteren klinischen Studien mit unterschiedlichen Tagesdosierungen von bis zu 2 g pro Tag untersucht. Bei guter Verträglichkeit und oraler Bioverfügbarkeit scheinen die Supplementierungen den NAD+-Spiegel im Blut zu erhöhen. Eine Studie des Institute of Metabolism and Systems Research der University of Birmingham in Großbritannien fand beispielsweise reduzierte, im Blut zirkulierende Entzündungsmarker und erhöhte NAD+-Stoffwechselprodukte im Muskel der Probanden, wenn diese für drei Wochen täglich 1 g Nicotinamid-Ribosid zu sich nahmen.

Auf biomolekularer Ebene ist NAD+ für die Deacetylase-Aktivität des Langlebigkeitsproteins Sirtuin-1 erforderlich und spielt somit eine wichtige Rolle bei der durch die Protein-Deacetylierung vermittelten Induktion der Autophagie.12

Induktor B: Aktivierung der Autophagie mit Sport, die Rolle von gesundem Schlaf und was Stress damit zu tun haben könnte

Dr. David A. Sinclair, Harvard-Professor für Genetik und weltweit führender Wissenschaftler auf dem Feld der Altersmedizin, empfiehlt es bereits in seinem Buch „Lifespan: Why We Age – and Why We Don’t Have To”:

  1. Eat fewer than 3 meals a day
  2. Lose your breath from exercise
  3. Get a standing desk
  4. Do hip-hinge exercises
  5. Use biomarker feedback
  6. Sleep well, reduce stress
  7. Never lie

Neben der Ernährung („Eat fewer than 3 meals a day“) werden demnach also insbesondere Bewegung/Sport, ausreichend Schlaf und ein gesundes Stress-Management in zentraler Bedeutung, wenn es um gesundes Altern gehen soll, diskutiert.

Lose your breath from exercise, get a standing desk, do hip-hinge exercise
Autophagie-Induktor: Sport und Mobilität13

Dass Sport gesund ist, beziehungsweise im Alter aufkommende Leiden lindern kann, ist tatsächlich nichts Neues. Doch neuerdings wird die Rolle der Autophagie in diesem Zusammenhang als zugrundeliegender Mechanismus diskutiert. Denn eine sportliche Belastung, die auf natürliche Weise eine energetische Stresssituation in der Zelle auslöst, erweist sich als ein sehr potenter Induktor der Autophagie.

In mehreren Arbeiten ab 2012 konnte wissenschaftlich dargestellt werden, dass körperliche Aktivität die Autophagie einerseits in der Skelettmuskulatur, aber anderseits auch in anderen Gewebearten, wie unter anderem des Herzens, der Leber und des Gehirns, stimulieren kann.

Eine der Schlüsselfunktionen der Autophagie in der Skelettmuskulatur ist die Begegnung der durch den Sport verursachten energetischen Stresssituation. Das bedeutet die Bereitstellung alternativer Energiequellen für den „Notfall“, wenn mehr Energie in den Muskelzellen verbraucht wird als dem Körper momentan zur Verfügung steht. Energie wird durch Autophagie, das Recyclen von zellulärem Abfall, bereitgestellt.

Zudem bedeutet Sport auch eine zelluläre Herausforderung hinsichtlich der durch die Belastung hervorgerufenen Schäden an Proteinen, beispielsweise ganzen Organellen wie den Mitochondrien. Sie entstehen insbesondere durch körperliche Erhitzung, veränderte pH-Bedingungen (Übersäuerung der Muskeln) und mechanischen Stress (Faserrisse zum Muskelaufbau), den die Zellen durch Sport erfahren. Andererseits bedingt die sportliche Belastung eine intensivere mitochondriale Atmung. Bedarf es einer gesteigerten Energieproduktion, nutzt das schlichtweg die Mitochondrien ab. Zunehmender oxidativer Stress kann folgen, da in abgenutzten Mitochondrien vermehrt reaktive Sauerstoffspezies frei werden. Das schädigt wiederum die Zelle oder darin enthaltene Proteine, Organellen oder auch die DNA.

Wirkt die Autophagie den beschriebenen zellulären Herausforderungen stark dagegen, verhindert sie Entzündungen und die damit verbundenen unkontrollierten Immunantworten (= Inflammaging). Autophagie beseitig geschädigtes und abgenutztes Zellmaterial.

Auch bei der Autophagie-Aktivierung durch Sport spielen die bekannten Energie-Sensoren und Langlebigkeitsproteine der Zelle – mTORC1 und AMPK sowie Sirtuin-1 – die entscheidenden Rollen. So führt beispielsweise die sportliche Aktivität über ähnliche Signale wie die Kalorienrestriktion zu der Hemmung von mTORC1. mTORC1 steuert wesentlich das Wachstum und die Proteinsynthese in den Zellen. Durch ausreichende Zufuhr von Nährstoffen (z. B. Aminosäuren) sowie mechanischen Stress und spezielle Wachstumsfaktoren (z. B. insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1, IGF-1) als zelluläre Signale ist der Komplex aktiviert; die Autophagie ist ausgeschaltet. Dahingegen hemmt Nährstoffmangel und energetischer Stress mTORC1; die Autophagie läuft auf Hochtouren.

Hinsichtlich der Frage, welche sportlichen Intensitäten ausreichen können, um die Autophagie auszulösen, konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Radfahren für 60 bis 120 Minuten bei circa 50 % VO2max (= maximale Sauerstoffmenge, die vom Körper bei maximaler Belastung aufgenommen werden kann) die Autophagie in der Skelettmuskulatur induziert. 20 Minuten der gleichen Intensität reichen jedoch nicht aus. Demgegenüber können zu exzessive Trainingseinheiten die Autophagie stören. In schweren Fällen können sogar langfristige Zell- und Gewebeschädigungen entstehen.

Die Wissenschaft diskutiert derzeit eine Art Schwellenbereich der Trainingsdauer und -intensität, in dem die Autophagie stimuliert wird. Es werden zukünftig weitere Daten benötigt werden, die die Autophagie-Aktivierung als Reaktion auf effiziente Trainingseinheiten hoher Intensität und möglichst kurzer Dauer, wie z. B. hochintensives Intervalltraining (engl. high-intensity interval training, HIIT), quantifizieren können.

Sleep well, reduce stress
Autophagie-Induktor: gesunder Schlaf und ausgewogener Stress

Es häufen sich jüngst erste wissenschaftliche Belege für die bidirektionale Beziehung zwischen der körpereigenen zirkadianen Uhr, also einem der biochemischen Regulatoren unseres natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus, und der Autophagie. Während der zirkadiane Rhythmus den Autophagie-Fluss steuert, beeinflusst wiederum die Autophagie den Rhythmus selbst. Die Autophagie folgt demnach einem gewissen schlafbedingten Rhythmus, wobei auch hier der Energie-Sensor mTORC1 eine Rolle spielen könnte. Denn die Hemmung von mTORC1 induziert nicht nur die Autophagie, es verlangsamt gleichzeitig auch die zirkadiane Uhr.14

Zusammen wirken Autophagie und die zirkadiane Uhr gegen Gewebsschädigungen und tragen in vielen Organismen zur Langlebigkeit bei. Eine Studie aus 2016 identifizierte sogenannte „zirkadiane Uhr“-Proteine, die als Stellschrauben der Autophagie wirken. Die Wissenschaftler entwickelte daraus ein Modell der altersbedingten Veränderung der „Uhr“-Genexpression als eine mögliche Ursache für den Rückgang der Autophagie-Aktivität im Alter. Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse des Zusammenspiels von Schlaf und Autophagie werden sicherlich zeitnah folgen.15

Auch hinsichtlich der Folgen einer chronischen Stressbelastung belegen erste kürzlich veröffentlichte präklinische Studien eine störende, unterdrückende Wirkung auf die Autophagie. Hier steckt die Forschung sozusagen noch in den Kinderschuhen beziehungsweise ein neues Forschungsfeld wird gerade eröffnet. Weitere interessante Kenntnisse werden erwartet.16


1 Hofer SJ, Davinelli S, Bergmann M, Scapagnini G, Madeo F. Caloric Restriction Mimetics in Nutrition and Clinical Trials. Front Nutr. 2021;8:717343. Published 2021 Sep 6. doi:10.3389/fnut.2021.717343

2 Rubinsztein DC, Mariño G, Kroemer G. Autophagy and aging. Cell. 2011;146(5):682-695. doi:10.1016/j.cell.2011.07.030

3 Escobar KA, Cole NH, Mermier CM, VanDusseldorp TA. Autophagy and aging: Maintaining the proteome through exercise and caloric restriction. Aging Cell. 2019;18(1):e12876. doi:10.1111/acel.12876

4 Rubinsztein DC, Mariño G, Kroemer G. Autophagy and aging. Cell. 2011;146(5):682-695. doi:10.1016/j.cell.2011.07.030

5 Madeo F, Hofer SJ, Pendl T, et al. Nutritional Aspects of Spermidine. Annu Rev Nutr. 2020;40:135-159. doi:10.1146/annurev-nutr-120419-015419

6 Pucciarelli S, Moreschini B, Micozzi D, et al. Spermidine and spermine are enriched in whole blood of nona/centenarians. Rejuvenation Res. 2012;15(6):590-595. doi:10.1089/rej.2012.1349

7 Viltard M, Durand S, Pérez-Lanzón M, et al. The metabolomic signature of extreme longevity: naked mole rats versus mice. Aging (Albany NY). 2019;11(14):4783-4800. doi:10.18632/aging.102116

8 Matsumoto M, Kitada Y, Naito Y. Endothelial Function is improved by Inducing Microbial Polyamine Production in the Gut: A Randomized Placebo-Controlled Trial. Nutrients. 2019;11(5):1188. Published 2019 May 27. doi:10.3390/nu11051188

9 Xu J, Sun Z, Zhang R, et al. Non-linear association between serum spermidine and mild cognitive impairment: Results from a cross-sectional and longitudinal study. Front Aging Neurosci. 2022;14:924984. Published 2022 Aug 2. doi:10.3389/fnagi.2022.924984

10 Kiechl S, Pechlaner R, Willeit P, et al. Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study. Am J Clin Nutr. 2018;108(2):371-380. doi:10.1093/ajcn/nqy102

11 Hofer SJ, Davinelli S, Bergmann M, Scapagnini G, Madeo F. Caloric Restriction Mimetics in Nutrition and Clinical Trials. Front Nutr. 2021;8:717343. Published 2021 Sep 6. doi:10.3389/fnut.2021.717343

12 Hofer SJ, Davinelli S, Bergmann M, Scapagnini G, Madeo F. Caloric Restriction Mimetics in Nutrition and Clinical Trials. Front Nutr. 2021;8:717343. Published 2021 Sep 6. doi:10.3389/fnut.2021.717343

13 Escobar KA, Cole NH, Mermier CM, VanDusseldorp TA. Autophagy and aging: Maintaining the proteome through exercise and caloric restriction. Aging Cell. 2019;18(1):e12876. doi:10.1111/acel.12876

14 Lopez-Otín C, Kroemer G. Decelerating ageing and biological clocks by autophagy. Nat Rev Mol Cell Biol. 2019;20(7):385-386. doi:10.1038/s41580-019-0149-8

15 Kalfalah F, Janke L, Schiavi A, et al. Crosstalk of clock gene expression and autophagy in aging. Aging (Albany NY). 2016;8(9):1876-1895. doi:10.18632/aging.101018

16 Li N, Zhang RX, Xie XJ, Gu HF. Autophagy in chronic stress induced atherosclerosis. Clin Chim Acta. 2020;503:70-75. doi:10.1016/j.cca.2020.01.006

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