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Autophagie –
die molekulare Müllabfuhr nobelpreisgekrönt

Autophagie – Die molekulare Müllabfuhr Nobelpreis gekrönt

Autophagie findet in jeder Zelle des Körpers statt.
Es ist das körpereigene Reinigungsprogramm und damit ein wesentlicher Baustein der Überlebens- und Gesundheitsstrategie der Zellen.

Aber was bedeutet das genau?

Fastet man beispielsweise oder treibt intensiv Sport, dann ist der Körper für eine gewisse Zeit nicht ausreichend mit Energie und dringend benötigten Baustoffen, wie Aminosäuren, Lipiden und Kohlehydraten, versorgt.

Für die Zellen stellt diese temporäre Unterversorgung ein Problem dar – im Grunde kann man sogar von einer erheblichen Zell-Stress-Situation sprechen. Um dieser Situation zu begegnen, legen die Zellen ihren „metabolischen Hebel“ um und die Autophagie (altgriechisch „sich selbst verzehrend“) setzt ein: Angesammelte, nicht mehr verwendete Zellbestandteile (der molekulare „Abfall“) wie beispielsweise defekte Organellen oder schädliche Protein-Aggregate werden als Baustoff- und Energielieferanten verstoffwechselt und damit aus den Zellen entfernt.

Alles in allem ein wahres intrazelluläres Reinigungs- und Recycling-Programm mit dem genialen Nebeneffekt, dass durch den Schutz zellulärer Information die Funktionalität und Vitalität der Zellen erhalten bleiben und dadurch dem Alterungsprozess bis in die kleinsten Körperbausteine entgegengewirkt werden kann.¹

Bedeutende, international kooperierende Wissenschaftler fassen es in dem vielfach zitierten Artikel „Autophagy in major human diseases“ wie folgt zusammen:

“Autophagy is […] key in preventing stresses as one of the major quality control guardians in the cell.”²

Darüber hinaus ist die Autophagie hoch konserviert. Das bedeutet, die selektive Qualitätskontrolle läuft nicht nur innerhalb von humanen Zellen ab. Autophagie findet man allgegenwärtig in eukaryotischen Zellen – über Artengrenzen hinaus – ob in der Bäckerhefe, dem Fadenwurm, der Taufliege, Maus oder dem Menschen. Wenn die Evolution ein System erhält, dann nur, weil das System gut ist. Weil es funktioniert. Weil es einen Vorteil bringt.

Erstmals wurde die Autophagie tatsächlich in den 1960er Jahren beschrieben. Wissenschaftler des Rockefeller Instituts in New York beobachteten, dass Zellen ihre eigenen Bestandteile in Membran- „Säckchen“ einschließen und zu den Lysosomen transportieren. Lysosomen sind spezielle Organellen, also strukturell abgegrenzte Bereiche innerhalb der Zelle mit besonderen Funktionen, vergleichbar mit denen eines Recyclinghofs.

Nach der ersten wissenschaftlichen Beschreibung blieb in den folgenden Jahren das Phänomen der Autophagie jedoch weitestgehend ungeklärt. Die nötigen wissenschaftlichen Untersuchungen waren für diese Zeit schlechthin methodisch zu komplex.
Bis Anfang der 1990er Jahre der japanische Wissenschaftler Yoshinori Ohsumi mit einer Reihe von brillanten Experimenten an der Bäckerhefe es nun schaffte. Er identifizierte spezielle Gene, die die Autophagie in der Zelle steuern. Diese nannte er ATG-Gene (engl. Autophagy).

Ohsumi entschlüsselte als erster Wissenschaftler den ausgeklügelten Mechanismus der Autophagie und setzte damit ein neues Paradigma. Man besaß nun ein Verständnis dafür, wie Zellen Stress- Situationen abwehren: Sie überleben, indem sie ihren eigenen molekularen Abfall recyceln.

Dies war eine derart bedeutsame Entdeckung, dass Ohsumi 2016 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet wurde.³

Yoshinori Ohsumi

© Nobel Media AB. Photo: A. Mahmoud

¹ Aman Y, Schmauck-Medina T, Hansen M, et al. Autophagy in healthy aging and disease. Nat Aging. 2021;1(8):634-650. doi:10.1038/s43587-021-00098-4
² Klionsky DJ, Petroni G, Amaravadi RK, et al. Autophagy in major human diseases. EMBO J. 2021;40(19):e108863. doi:10.15252/embj.2021108863
³ The Nobel Prize in Physiology or Medicine 2016. NobelPrize.org. Nobel Prize Outreach AB 2022. Thu. 1 Dec 2022. <https://www.nobelprize.org/prizes/medicine/2016/summary/>

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